Puppet People – Leben im Widerspruch

Unsere Geschwister von der starren Seite des Daseins
Schaufensterpuppen. Sie starren uns an: Aus tausend erleuchteten
Glasfronten, in jeder Boutique, selbst in Supermärkten. Wir starren
nicht zurück, normalerweise; und wenn doch, dann nicht in ihr
Gesicht, sondern auf ihre Kleidung.
Sie sind uns äußerlich ähnlich, denn dies ist ihr erster Daseinszweck:
Unsere Begehrlichkeit auf Äußerliches richten. Ganz Außen sind sie mit
ihrer Plastikhaut, durch die kein Fühlen dringt.
Ihre Körper zeigen, was viele von uns beim Blick in den Spiegel gerne
sähen – doch nie erblicken, weil ein solches immergleiches Ideal nicht
menschenmöglich, ja, nicht menschlich ist. Sie tragen die
Seriennummer einer Charge, wir hingegen einen Namen und eine
Geschichte.
So stehen sie. Unbewegt, steif. Erstarrte Anmut, geronnene Grazie.
Man könnte sich vor ihnen ängstigen, so grundverschieden sind sie von
uns Bewegungswesen.
Denn wo in uns ein Innenleben pulst, das unsere Seelen und Körper
bewegt, da sind sie im Tiefsten ihres Wesens so reglos und blutleer
und hohl, wie ihre gefrorene Haltung erahnen lässt.
So ähnlich sehen sie uns. Und sind doch so anders. In diesem
Spannungsfeld leben die Puppet People, unser fremdes Ebenbild, in
dem wir uns spiegeln und brechen.
Meine Inspiration zu dem Langzeitprojekt „Puppet People“ war das
Gedicht „E 256“ von Mary-Jane Newton:
„E256“
Das Plastik meiner Haut war mir zu eng…
Die Welt, die in den Dingen blüht und reift/
War mit den Wurzeln aus mir ausgerissen/
Gelenkig steif/
Wie aufgewühlte Erde
Lag ich offen da und trank/
Den kalten Regen meiner Tränen/
Am ganzen Leibe war ich wund!
Zeit, die über meine Haare floss/
Stille, die in zarten Gläsern klang/
Und nah bei meinen Händen ging/
Der Atem einer großen, weißen Rose.